Potager-Farm: Die neue vertikale Farm in Biesdorf
Wie aus einem Geschäft für Autoteile eine vertikale Farm für Gemüse wurde, wie es jetzt dort aussieht und was in Zukunft noch geplant ist. Das und mehr gibt es in diesem Beitrag zu lesen.
In Biesdorf wird wieder Landwirtschaft betrieben. Und das in einer modernen Form, die platzsparend ist und frisches Gemüse direkt aus der Nachbarschaft verspricht. Doch fangen wir von Vorne an:
Greenman Investements und deren Engagement in Biesdorf
Greenman Investments ist eine Gesellschaft, die Fonds anbietet und sich auf den Einzelhandel spezialisiert hat. So ist beispielsweise das Biesdorf Center Teil des Immobilienportfolios des Unternehmens. Und auch das Gelände an der B1, auf dem Carglass, Cosy Wash und nun auch die Potager Farm steht, gehört zu dem Eigentum des Immoblienfonds.
Seit Greenman das Biesdorf-Center erworben hat, hat das Unternehmen ein Engagement in der Nachbarschaft aufgebaut. So wurden zum Beispiel Pflanzaktionen organisiert und das Projekt „Biesdorf Küche“ an der Fuchsberg-Grundschule ins Leben gerufen. Dabei werden externe Partner in die Schule eingeladen, die den Kindern spielerisch das Thema Nachhaltigkeit vermitteln. Ein Ziel ist dabei der Schülerschaft zu zeigen, dass Gemüse „cool“ ist. Dazu wurden Experten von Pausenhofgeflüster eingeladen, eine Köchin hat mit den Kindern gemeinsam gekocht und ein Regal für den Gemüseanbau wurde in einem Klassenzimmer aufgebaut. Aktuell hat dieses Projekt Sommerpause, doch ab September geht es wieder los.
Das neue Projekt: die vertikale Farm
Anfang des Jahres wurde ein neues Projekt ins Leben gerufen und eigens ein Unternehmen gegründet: die Potager Farm. Dahinter steckt die erste vertikale Farm in Biesdorf, bei der Gemüse in einem ausgeklügelten Regalsystem in Ebenen übereinander angebaut wird. Inzwischen hat das Unternehmen fünf Mitarbeitende, zwei Bürohunde und einen Standort an der Tychyer Straße, der sich im Probebetrieb befindet.
In der Testphase wird mit kleineren Regalen geprobt. Und auch die Beleuchtung der Türme wird noch in verschiedenen Einstellungen getestet.
Das System
In den sechs Meter hohen Regalsystemen des schottischen Herstellers Intelligent Growth Solutions werden zukünftig vor allem Blattgemüse, wie verschiedene Sorten Basilikum, Salate, Schnittlauch usw. angebaut. Aktuell wird mit Wasserspinat experimentiert.
Noch sind die Regalsysteme im Probebetrieb, sodass wir bei der Besichtigung ohne Einschränkungen alles anschauen konnten. Im regulären Betrieb gelten strenge Vorschriften, die sicherstellen, dass keine Verunreinigungen von außen an die Pflanzen gelangen. Denn das Ziel ist, dass keine Pestizide oder ähnliches eingesetzt werden. Dazu gibt es Luftschleusen, einen Überdruck in den Pflanztürmen und Hygienestationen.
Übrigens: Das Gemüse darf nicht als Bio-Produkt verkauft werden. Zwar werden keine Pestizide eingesetzt, aber allein die Tatsache, dass das Gemüse in Kokosfasern und nicht in Erde angebaut wird, führt dazu, dass das Gemüse nicht die Vorgaben der Bio-Landwirtschaft erfüllt.
Mit einer Luftschleuse und Überdruck werden Verunreinigungen aus dem Anbautürmen herausgehalten.
Der Aufbau
Von Januar bis Juli hat der Umbau der Halle gedauert, in der vorher Autoteile verkauft wurden. Und nun wird die Testphase noch einmal bis Anfang des nächsten Jahres durchgeführt, bis der Regelbetrieb startet.
Das in dieser Zeit produzierte Gemüse wird an Partner abgegeben, die die Produkte bewerten. So wird der Prozess optimiert, damit die Produkte marktfähig sind. Später soll das Gemüse an drei bis vier Restaurants und eventuell Großhändler oder einem Online-Shop abgegeben werden.
Es gibt den Wunsch das Gemüse auch im Biesdorf-Center anzubieten, allerdings kann dazu noch keine Prognose gegeben werden.
Die Türme können mit dem unterschiedlichsten Licht beleuchtet werden. Zwar sind alle Farben möglich, meistens kommt aber eine Mischung als blau und rot zum Einsatz. Das mögen die Pflanzen am liebsten.
Übrigens: Ursprünglich war geplant die Farm im Biesdorf-Center aufzubauen. Das scheiterte allerdings an der Statik, sodass das Gebäude nahe Hellweg ausgewählt wurde.
Zukunftsaussicht und Nachhaltigkeit
Die Mitarbeitenden der Farm sehen das sogenannte „vertical Farming“ als ein Puzzleteil für die Landwirtschaft der Zukunft. Erst kürzlich hatten Unwetter in Brandenburg Ernten zerstört. Der Anbau in einem kontrollierten Raum kann so etwas verhindern.
Doch es gibt auch Grenzen. Je nach dem System können nur bestimmte Pflanzen angebaut werden. Der Energieaufwand ist enorm, was auch daran deutlich wird, dass im Winter die Pflanzen allein mit der Beleuchtung beheizt werden können. Im Sommer wird zusätzlich gekühlt, damit immer optimale Wachstumsbedingungen bei 23 bis 25 Grad herrschen.
Trotz der Solaranlage auf dem Dach können von dem Energiebedarf nur 18 % gedeckt werden. Und aktuell ist nur ein Drittel der Anlage im Betrieb. Dieser Energieverbrauch ist eine wirtschaftliche Herausforderung, denn bei der klassischen Landwirtschaft auf dem Feld übernimmt viele Aufgaben die Natur. In Zukunft möchten die Betreiber den gesamten Energiebedarf mit Anlagen von Greenman-Energy abdecken, also vor allem erneuerbaren Energien.
Von oben links nach unten rechts: Die Wasseraufbereitungsanlage, das Kokosfaser-Substrat, Zitronenbasilikum im Testanbau, ein Eingang zu einem der drei Anbautürme.
Ist es wirtschaftlich?
Ob das Projekt ein Erfolg wird und wirtschaftlich zu betreiben ist, wird sich daran entscheiden, ob geeignete, besondere Produkte angebaut werden können für die es Abnehmer gibt. Auch deswegen wird mit Gemüse experimentiert, dass es nicht in jedem Supermarkt an der Ecke zu kaufen gibt. Das Gemüse wird zwischen zwei und sechs Wochen in den Regalsystemen herangezogen, bis es erntereif ist. Zwar gibt es den Wunsch mit Fruchtgemüse zu experimentieren, das wird allerdings gerade noch nicht verfolgt.
Eine Infotafel direkt an der Tychyer Straße informiert über das Projekt.
Kann man einen Blick hinein werfen?
Für den kommenden Herbst ist ein Tag der offenen Tür geplant, sodass die Nachbarschaft die Möglichkeit hat, die Anlage auch von innen zu besichtigen.
Auch interessant: Es wird daran gearbeitet Regenwasser aufzubereiten, um damit die Pflanzen zu bewässern. Und es wird geprüft, ob das verbrauchte Substrat, also die Kokosfasern, abgegeben werden können, damit sie in einer Biogasanlage oder im Garten ein zweites Leben finden.
Auf den Bildern sind die Erprobungen zu sehen. Die später verwendeten Regalsysteme sind 6 Meter hoch und die Regalböden deutlich größer.
Fazit:
Die neue vertikale Farm zeigt, das unser Bezirk und unsere Nachbarschaft attraktiv ist für Unternehmensansiedlungen im Tech-Bereich. Denn zu dieser Investition gesellen sich eine Vielzahl weiterer hinzu, wie eine Produktionsstätte für Batterien im Marzahner Cleantech-Businespark.
Für die besonders Interessierten:
In der Hydroponik wird die Nährlösung in einem geschlossenen Kreislauf geführt, kontinuierlich gemischt und zu den Pflanzen geleitet. Nach der Filterung und UV-Aufbereitung wird der überschüssige Teil der Nährlösung zurückgeführt und mit frischem Wasser sowie neuen Nährstoffen versetzt. Die sorgfältige Kontrolle von pH-Wert und Leitfähigkeit ist dabei entscheidend, da die Pflanzen ausschließlich ihre Nährstoffe aus der Nährlösung erhalten.
Die Nährlösung setzt sich aus festen Düngesalzen wie Calciumnitrat zusammen, die als Basis für ein Nährstoffkonzentrat dienen. Durch die Zugabe von Wasser entsteht die endgültige Nährlösung. Da in der Hydroponik eine präzise Kontrolle der Nährstoffzufuhr erforderlich ist, ist der Einsatz von biologischen Düngemitteln schwierig.
Ein Mangel an wichtigen Nährstoffen könnte das Pflanzenwachstum stark beeinträchtigen und die Ernte im Hydroponik-System fast unverkäuflich machen. Das Kokossubstrat als Wachstumsmedium übernimmt nicht die Funktion des natürlichen Bodens, um den pH-Wert auszugleichen und Nährstoffe zu speichern. Daher ist die sorgfältige Kontrolle und Zusammensetzung der Nährlösung von größter Bedeutung, um eine erfolgreiche Ernte in der Hydroponik zu gewährleisten.
veröffentlicht am 30.07.2023